Weitere Texte: ...Erich Haas ...Mit 30
Die schöne schwule Welt funktioniert einigermaßen, solange man jung ist. Auch wer nicht
ständig ins Fitnessstudio rennt, hat Chancen auf dem Markt der Eitelkeiten und sei es für
eine Nacht. Wird man allerdings älter, verändert sich nicht nur der Körper, auch die
Probleme sind andere. Schwulsein im Alter heißt oft: Out sein, einsam sein, auf sich gestellt.
Zigmas, 52, ist Franzose und von Beruf Schauspieler. Als er nach Hannover kam, fand er bei all den Gruppen
von "Grünen Tomaten" bis zu Motorradfahrern keine speziellen Angebote für
Ältere. Die "Rosa Panher" hatten sich vor einiger Zeit aufgelöst. Also gründete
er vor drei Jahren "Vierzig plus". Sein Anliegen war bescheiden: "Ich wollte die Einsamkeit
angenehmer machen."
"Viele suchen einen Partner und kommen nach dem ersten Besuch nicht wieder", sagt Heiner, 63.
Er blieb, obwohl sich erstmal Nichts fand. Entstanden ist ein Kern von zehn Leuten, manchmal sind es doppelt
so viele, die meisten sind zwischen 40 und 60, einer ist schon 92.
Doch wo sind die anderen? "Viele haben Probleme mit dem Alter, aber die
meisten gestehen es sich nicht ein", sagt Heiner. Der ehemalige Verkäufer
im SW3 kennt sich aus in der Szene und geht immer noch hin. Jürgen, 43,
er ist arbeitsloser Grafiker und Computerfachmann zählt zu den
Stammgästen der Factory. "Die Jungen gucken dich zuerst doof an, aber
man muß auf sie zugehen. Nur wer ständig präsent ist, kriegt
Kontakte."
Zigmas sieht das anders. "In der Disco bin ich noch einsamer, da tanzt
man mit sich selbst. Ich gehe nicht in die Szene, die Zeit ist mir zu
schade." Trotzdem: Alle sehen das Problem, dass viele Ältere "nicht aus ihrer
Hütte herauskommen". Heiner meint, Viele ließen sich gehen, seien ungepflegt.
Auch der Alkohol werde schnell ein Thema, wenn man nur zu Hause hocke.
Mehrmals im Jahr laden sie Gäste zu "Vierzig plus" ein, zu Vorträgen oder
Lesungen. Gemeinsame Unternehmungen beschränken sich auf kleine
Gruppen, die ins Kino oder ins Theater gehen.
Sex sei selbst in den Gesprächen kaum ein Thema. "Sex zu haben, gibt
es viele Möglichkeiten, etwa im Pornokino", sagt Jürgen. In der Gruppe
gehe es eher um Gefühle, ums Älterwerden halt. Aber Heiners Offenheit
ist die Ausnahme: "Wenn ich Lust habe, zieh ich Leder an. In der Lederszene spielt das Alter
nicht so die Rolle." Sex mache auch ihm noch
Spaß, sagt Zigmas: "Ich will aber nicht mehr der Springinsfeld sein. Da ist
mir Anderes wichtiger."
Etwa die Frage: Was ist, wenn wir älter werden? "Ich möchte nicht von
einer Frau gepflegt werden", sagt Heiner. Und Jürgen: "Im Altersheim kann
ich mir keinen Stricher kommen lassen." Deshalb wird überlegt, ein
schwules Wohnprojekt für Alte zu gründen. Interessierte können sich
melden, sie müssen sich nur trauen.
Solche und ähnliche Fragen
stellen wir uns in unserer Gruppe:
Vierzig plus - Schwule über 40